Welchen Schaden sie anrichten und warum wir trotzdem freundlich mit ihnen umgehen müssen, wieviel Kooperation sinnvoll ist und wann es Zeit ist, sich abzugrenzen. Ein paar Gedanken zu einer Führungsform von gestern.
Wenn Führungspersonen die Aktivitäten ihrer Mitarbeitenden kontrollieren und am liebsten alles selbst entscheiden wollen, dann kann das sehr anstrengend für alle Beteiligten werden und über einen langen Zeitraum bis hin zu Krankheit oder Burnout führen. Aus organisationaler Sicht nimmt durch so eine Form der Führung die Wahrscheinlichkeit zu, dass Vertrauen und Motivation untergraben werden und so mittel- und langfristig die Produktivität sinkt. Studien zeigen: Teams, die dauerhaft Micro Management erleiden, weisen eine hohe Personalfluktuation und eine geringe Arbeitszufriedenheit auf; und sie sind weniger produktiv und innovativ.
Warum betreiben Führungspersonen Micro Management?
In den meisten Fällen hat das Verhalten deiner Führungsperson nichts mit dir zu tun. Studien zeigen, dass hinter seinem ausgeprägten Kontrollbedürfnis Unsicherheiten des Micro Managers selbst stecken. Er (oder sie) hat große Angst vor dem Scheitern. Aus dieser Angst heraus rührt das Bedürfnis nach übermäßiger Kontrolle. Niemand wird so geboren, aber im Laufe eines Lebens passieren schon mal Dinge, die dazu führen können, dass Menschen sehr ängstlich werden. Und Führungspersonen sind eben auch nur Menschen. Zur Verteidigung des Micro Managers können wir sagen: Er weiß es nicht besser. Er weiß nicht wie Führung stattdessen gelingen kann, es fehlt ihm an Selbstreflexion und Führungskompetenz.
Und so stellt er kompetente Personen zu angemessenen Gehältern für Positionen ein (von denen er weder weiß noch wissen muss, wie man sie ausführt), um ihnen dann ständig zu erklären, wie sie ihre Arbeit erledigen sollen und was sie dabei alles falsch machen. Und degradiert sie damit zu scheinbar unfähigen Marionetten ohne eigene Entscheidungskompetenz. Der Micro Manager wird dadurch selbst zu einem Flaschenhals, und mit der Zeit laufen die Prozesse dadurch sehr, sehr laaaaaaaaaaangsaaaaaaaaaaam.
Warum müssen wir trotzdem freundlich mit Micro Managern umgehen?
Weil wir alle ein Recht auf Zugehörigkeit haben. Punkt. Als Mitarbeitende ist es nicht unsere Entscheidung, eine inkompetente Führungsperson von ihrer Rolle zu befreien und ihr eine Aufgabe zu geben, die ihren Fähigkeiten eher entspricht. Du musst dir aber auch nicht alles gefallen lassen, sondern du kannst reflektiert und verantwortlich handeln.
Kazu Haga, ein berühmter Mediator und Friedensstifter, hat einmal gesagt:
„When people talk about ’holding someone accountable,’ the key word should not be 'accountable' but 'holding'.”
Im Deutschen würden wir sagen, “jemanden zur Verantwortung ziehen.“ Der englische Begriff jemanden in seiner Verantwortung zu 'halten' gefällt mir viel besser. Als verantwortliche Person würde ich lieber gehalten als gezogen werden. Und daher schlägt Kazu vor, mehr Betonung auf das 'Halten' zu legen.
Was heißt es, jemanden in seiner Verantwortung zu halten?
Aus meiner Sicht heißt es bei Uneinigkeiten so zu handeln, wie du mit einem guten Freund oder einem ängstlichen Kind umgehen würdest. Im Moment der Überforderung können sie nicht klar sehen, das bedeutet, sie sehen das Ausmaß der Konsequenzen ihres Verhaltens nicht. Ihr Sichtfeld ist aufgrund der emotionalen Überforderung so verengt, dass sie mit Komplexitäten überfordert sind und daher zu Schwarz-Weiß-Denken neigen. Aus ihrer subjektiven Sicht sind Herausforderungen vor allem Risiken und aus Partnern oder Mitarbeitenden werden schnell Gegner. Wenn ein Konflikt entsteht, und das ist unvermeidlich und völlig normal im (Arbeits-)Leben, dann müssen wir den Micro Managern zunächst Raum geben, sodass sie sich emotional beruhigen können. Dasselbe gilt für uns selbst. Auch wir brauchen Abstand. Dann gilt: Zuerst die Person 'halten,' und erst danach die 'Verantwortung' klären:
- Die Person halten: Zeige Verständnis und Mitgefühl. Und zwar für die vorhandenen Unzulänglichkeiten und Ängste des Micro Managers genauso wie für deine eigenen. Seine Inkompetenz ist keine Rechtfertigung dafür, ihn anzugreifen oder ihn zu beschämen. Niemand von uns ist schon am Ende angekommen und weiß alles und kann alles perfekt. Wir sind alle Menschen und dürfen Fehler machen, sie wieder gutmachen, dazu lernen und wachsen. Am besten beginnen wir damit bei uns selbst. Es ist nicht angenehm einen Micro Manager zu haben, also trösten wir uns zunächst selbst. Das hilft uns dabei, dann auch dem Micro Manager gegenüber im Geiste eine großzügigere Haltung einzunehmen. Erst wenn du das geschafft hast, ist die Zeit gekommen in den Dialog mit ihm zu treten.
- Verantwortung klären: Zeige ihm die Konsequenzen seines Verhaltens auf. Und zwar klar und freundlich. Du musst nicht deine eigene Kompetenz verleugnen oder gar deine Gesundheit gefährden. Du hast nicht Unrecht, nur weil dein Micro Manager in seinem eigenen Angstrausch und Kontrollwahn gefangen ist. Du darfst dich schützen und dir treu bleiben. Bleibe freundlich und gleichzeitig klar, z.B. indem du aufzeigst: Seine Vorgehensweise widerspricht deiner Sachexpertise und deiner Erfahrung in solchen Fragestellungen. Empfiehl eine andere Vorgehensweise und zeige mögliche Konsequenzen auf. Mache klar, dass es kein Vorgehen ohne Risiko geben wird, aber das Risiko am Ende größer sein könnte, wenn dein Knowhow und deine Erfahrung ignoriert werden. Auf diese Weise behält der Micro Manager seine Würde, und du selbst auch.
Wenn er dann immer noch mehr kontrolliert, anstatt zu delegieren, oder dich sogar angreift, dann ist es Zeit Grenzen zu setzen. Auch du hast ein Recht entsprechend deiner Rolle tätig werden zu können. Suche dir Unterstützung bzw. frage um Rat. Deine KollegInnen, die Personalabteilung, Vertrauenspersonen, der Betriebsrat oder Coaches können helfen. Ändert sich trotzdem nichts, dann hilft nur die Suche nach einem neuen Spielfeld, in dem deine Kompetenzen wertgeschätzt werden und du verantwortlich arbeiten und dich und deinen Arbeitsbereich bzw. die Organisation entfalten und entwickeln darfst.
Du möchtest deinen Fall mit mir besprechen? Schreib mich gerne an, wenn du Interesse an einem Coaching-Gespräch hast: www.myleaderjourney.de/contact
Ich freue mich auf dich!
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